Vadim Sidur – Kunst und Anerkennung

Plakat der Sidur-Ausstellung in der Kleinen Orangerie im Schloss Charlottenburg. Berlin-Charlottenburg, 1980. Museum Charlottenburg-Wilmersdorf.

Vadim Sidur lässt sich der Gruppe der nonkonformistischen Avantgardisten zuordnen, deren Intention eine Kunst vertritt, die frei von ideologischer Bevormundung Ausdruck individueller Lebenserfahrungen und gesellschaftspolitischer Einsichten ist. Dieser Ansatz entwickelt sich vorerst in Moskau und später in Petersburg (Leningrad) nach der Kritik an Stalin auf dem XX. Parteitag von 1956.

Da Sidurs Formensprache nicht der staatlichen Kunstdoktrin entspricht, wird er in der Sowjetunion nicht mehr öffentlich ausgestellt und verliert die Förderungen des Kunstvereins. Seit Ende der 1950er Jahre sind seine Arbeiten ausschließlich im eigenen Kelleratelier zugänglich. Dieser Ort entwickelt sich bald zu einem Treffpunkt einer inoffiziellen Kulturszene des In- und Auslands. Musiker:innen, Schauspieler:innen, Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Naturwissenschaftler:innen kommen dort zusammen, um sich über Fragen von Politik, Gesellschaft, Kunst und Kultur auszutauschen. Zunächst in Osteuropa und seit Ende der 1960er Jahre auch in Westeuropa wächst seine Bekanntheit.

Die sowjetischen Kontrollinstitutionen beobachten diesen Vorgang aufmerksam, unterbinden aber keine Ausstellung oder die Aufstellung seiner Kunstdenkmäler im Ausland. Doch die offiziellen Kunstwächter:innen der damaligen Sowjetunion verhindern die Anerkennung eines größeren Publikums.

Der so genannte Neostalinismus ab Mitte der 1960er verhindert erneute Versuche Sidurs, seine Kunst in der sowjetischen Öffentlichkeit zu zeigen. Eine abendliche Graphikausstellung in den Räumen des Zentralhaus des Schriftstellers wird nach einer Stunde durch Eingreifen des KGB verhindert. Ab 1974 sind inländische Verlage dazu angehalten, keine Illustrationsaufträge für Zeitschriften oder Bücher an Sidur zu vergeben. Für die öffentliche Präsentation seiner Kunst nutzt er schließlich Friedhöfe. Seine Grabsteine sind innovativ und ausdrucksstark im Gegensatz zu den heroisierenden Grabsteindarstellungen von hohen Militärs, die in unmittelbarer Nähe zu seinen Werken stehen. Um seine Ideen doch zu verwirklichen stellt Sidur sie in anderen künstlerischen Ausdrucksformen dar. Linolschnitte, Federzeichnungen, Aquarelle, Filmarbeiten und Prosa entstehen. In den dreißig Jahren seines künstlerischen Schaffens erstellt er rund 500 Skulpturen und fertigt 2.000 bis 3.000 Grafiken an. Erst nach seinem Tod werden seine Werke im eigenen Land bekannter.