Flucht und Aufstand

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Rauchschwaden steigen während des Aufstands über dem Vernichtungslager Treblinka II auf. Aufgenommen hat dies heimlich der polnische Widerstandskämpfer Franciszek Ząbecki. Treblinka/Polen, 2.8.1943. Yad Vashem Photo Archive, Jerusalem. 2BO8

Bereits auf dem Weg ins Vernichtungslager Treblinka II gelingt Jüdinnen*Juden die Flucht aus Deportationszügen. Auch versuchen viele Insass*innen aus dem Vernichtungslager zu entkommen, aber das gelingt nur Wenigen. Sie verstecken sich in den Sortierbaracken und schneiden in der Nacht Löcher in den Stacheldrahtzaun. Einige verbergen sich zwischen Kleiderbündeln in Waggons, bevor diese das Lager verlassen. In sicherer Entfernung springen sie aus dem fahrenden Zug. Die meisten aber bezahlen die Fluchtversuche mit ihrem Leben.

Im Frühjahr 1943 bildet sich eine Widerstandsgruppe, die einen kollektiven Ausbruch aus dem Lager während des Generalappells plant. Um die Gefahr einer Entdeckung zu minimieren, sind nur wenige Häftlinge in die Planung involviert. Sie formieren kleine Gruppen, in denen jeder eine spezielle Aufgabe hat: Die Häftlinge, die in der Werkstatt als Schlosser arbeiten, fertigen vom Depot einen Zweitschlüssel an. Andere besorgen Geld und Wertsachen für die Zeit nach dem Ausbruch.

Das Organisationskomitee gibt am 2. August 1943 gegen 16 Uhr das Signal zum Aufstand. Die meisten schließen sich spontan an. Mithilfe von im Depot erbeuteten Waffen greifen die Aufständischen einzelne »Trawniki-Wachmänner« an und töten sie. Die Revolte dauert eine knappe halbe Stunde. Mehreren hundert Häftlingen gelingt es, Schneisen in den Stacheldrahtzaun zu schneiden und auszubrechen. Doch viele sterben schon während des Ausbruchversuchs, weitere bei der gnadenlosen Jagd der SS in den folgenden Tagen. Geflohene werden auch von antisemitischen Einheimischen während der letzten Monate der Besatzungszeit getötet.

Lediglich etwas mehr als 50 Aufständische erleben das Kriegsende. Doch ohne diese Revolte hätte es noch weniger Überlebende gegeben, die über die Verbrechen berichten können. Ihnen ist zu verdanken, dass ein Teil der Täter nach 1945 vor Gericht gestellt wird. Samuel Willenberg (1923–2016), der letzte bekannte Überlebende von Treblinka II, stirbt am 19. Februar 2016 im Alter von 93 Jahren in Tel Aviv.

»Die Zeit vergeht unvorstellbar langsam, die Angst, durch irgendetwas könnte alles platzen, ist nicht auszuhalten. Die Uhr schlägt halb vier. Vom Lager Nr. 1 her hören wir zwei Schüsse, das Signal für den Beginn des Aufstands […]«

Chil Rajchman, Ich bin der letzte Jude, 2009

Samuel Willenbergs Figur zeigt tote Häftlinge, die beim Fluchtversuch während des Aufstandes erschossen worden sind. Willenberg wurde selbst bei seiner Flucht am Bein verwundet. Werk: Samuel Willenberg, 2 August 1943 – Escape during the insurrection, 2002. Sławek Kasper. Institute of National Remembrance.

»Alle rennen heraus. Der dritte Zaun ist offen. Wir hören das Maschinengewehrfeuer der Mörder, die zu ihren Waffen gestürzt sind. Viele Kameraden enden, weil sie sich in den spanischen Reitern verfangen haben. Ich bin einer der Letzten. Ich bin schon draußen. Neben mir ist der Kamerad Kruk aus Plock. Er stürzt sich auf mich und schreit heraus: »Kamerad, wir sind frei!« Wir küssen uns.«

Chil Rajchman, Ich bin der letzte Jude, 2009