Berliner Erinnerungskultur nach 1945
Die Teilung der Stadt in vier Sektoren und ab 1949 die Entwicklung zweier deutscher Staaten prägen das frühe Erinnern und Gedenken in Berlin. Zwei Gedenkkulturen entstehen, mit unterschiedlichen Gestaltungen der Denkmäler, unterschiedlichen Perspektiven und Ausgrenzungen in der Gedenkpolitik. Im Osten hat das »antifaschistische Erbe« höchste Priorität. Zahlreiche Denkmäler werden errichtet, die kämpferisch den kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus symbolisieren. Im Westen stehen die zivilen Opfer des Zweiten Weltkriegs und die gefallenen Soldaten im Zentrum des öffentlichen Gedenkens.
Die Opfergruppen des NS-Regimes wie auch die Akteure des Widerstands, beispielsweise die Gruppe »Weiße Rose« um Sophie Scholl, werden hingegen erst später und nur zögerlich thematisiert. Eines der ersten Denkmäler West-Berlins wird 1953 nicht vom Senat, sondern vom Bund der Verfolgten des Naziregimes in Berlin-Charlottenburg errichtet. Erst in den 1970er und 1980er Jahren gelingt es vor allem durch das Engagement von Bürgerinitiativen, die Politik des Verschweigens zu durchbrechen. Die Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Jüdinnen*Juden wird immer mehr zu einem zentralen Thema der Erinnerungskultur.
Karl Eimermacher
Karl Eimermacher, Prof. (em.) für Slawische Literatur, ist Experte zu Leben und Werk von Vadim Sidur. Er bekam 1998 die Ehrendoktorwürde der Russischen Staatlichen Hochschule für Geisteswissenschaften (RGGU) und wurde 2003 von der Vereinigung der Erforscher der russischen Gesellschaft AIRO (Moskau) geehrt. Das Video ist ein Auszug aus einem Gespräch, das Inka Engel und Peter-Erwin Jansen am 22. Januar 2022 in Eimermachers Wohnung in Berlin führten.